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Vier Länder, vier Universitäten, vier Perspektiven: In der globalen Diskursreihe „One Topic, One Loop“ diskutieren vier Professor:innen ein aktuelles Thema aus Forschung und Lehre. Den Anfang macht Enkelejda Kasneci, Professorin für Human-Centered Technologies for Learning an der TUM School of Social Sciences and Technology.

“We are currently preparing students for jobs that don’t yet exist, using technologies that haven’t been invented, in order to solve problems, we don’t even know are problems yet.” Richard Riley (Bildungsminister in der Regierung Clinton)
Generative Künstliche Intelligenz (KI) mit ihrer Fähigkeit synthetische Daten zu erzeugen, gilt als Revolution im Maschinellen Lernen. Dass eine solche Technologie nicht nur die Texterstellung automatisieren, sondern auch die menschliche Kreativität steigern kann, zeigt das Beispiel ChatGPT. Trotz der Einschränkungen und Herausforderungen, die mit der Nutzung dieses Sprachmodells verbunden sind, gab es bereits in den ersten fünf Tagen die rekordverdächtige Zahl von einer Million Nutzer:innen. Darüber hinaus beobachten wir aber auch, dass die Technologiezyklen der generativen KI seit der Veröffentlichung von ChatGPT im November 2022 immer kürzer und kürzer werden.

In der Bildungswissenschaft bergen diese Technologien großes Potenzial für die Entwicklung adaptiver, kooperativer und immersiver Lernumgebungen, die auf den einzelnen Lernenden zugeschnitten sind. Sie zeichnen sich durch ihre Verfügbarkeit und Kosteneffizienz, aber auch durch ihre Anpassungsfähigkeit an den Lernenden aus und könnten im großen Stil zu einer Selbstermächtigung der Nutzer:innen führen. Dies könnte uns der Umsetzung der UNESCO-Bildungsagenda 2030 einen großen Schritt näher bringen. Darin wird ein auf den Menschen ausgerichteter KI-Ansatz gefordert, der Inklusion und Bildungsgerechtigkeit fördert. Zur Verwirklichung der Vision "KI für alle" müssen wir einerseits sicherstellen, dass diese technologische Revolution allen zugute kommt, insbesondere in den Bereichen Innovation und Wissensverbreitung, und andererseits, dass sie verantwortungsvoll genutzt wird.

Kreativität und kritisches Denken fördern

Um die Lernenden angemessen für ihre künftigen beruflichen und persönlichen Ziele zu rüsten, ist es daher von entscheidender Bedeutung, ihnen neben dem Grundwissen auch Kompetenzen zu vermitteln. Diese Kompetenzen sollten die Lernenden in die Lage versetzen, sich in einem Umfeld zu behaupten, in dem zahlreiche Aufgaben automatisiert werden, in dem komplexe kognitive Prozesse erforderlich sind, in dem persönliche Verantwortung und zwischenmenschliche Fähigkeiten zunehmen und in dem die interdisziplinäre Zusammenarbeit die Grundlage für die Lösung komplizierter gesellschaftlicher Probleme bildet. Der Auftrag an die Lehre lautet daher, anstelle von Aufgaben, die auf Routine und Unpersönlichkeit beruhen, Aufgaben zu schaffen, die personalisiert, facettenreich und kreativ sind. Wir müssen Strategien entwickeln, die eine Vielzahl von Kompetenzen fördern, die über die traditionellen Lehrpläne hinausgehen. Im Mittelpunkt sollte dabei die Förderung von Kreativität, kritischem Denken, Zusammenarbeit und Kommunikation stehen.

Die skizzierten Entwicklungen zeigen, vor welch tiefgreifenden und spannenden Veränderungen wir im Bildungswesen stehen. Die entscheidenden Fragen lauten: Wie können wir den Zugang zu Innovation und Wissen demokratisieren, eine gerechtere und integrativere akademische Landschaft schaffen und die Anforderungen einer Welt im Wandel erfüllen? Was sind die dringenden Herausforderungen, um dieses Ziel zu erreichen? Hier interessiert mich auch eine Perspektive aus den Neurowissenschaften - von meinem Kollegen Aldo Faisal: Wie können interdisziplinäre Ansätze und insbesondere Erkenntnisse aus den Neurowissenschaften dazu beitragen, zwischen den von einer KI erzeugten Ergebnissen und Äußerungen und denen von Menschen zu unterscheiden?

Globale Diskursreihe „One Topic, One Loop“

Vier Personen aus vier verschiedenen Ländern und von vier verschiedenen Universitäten diskutieren ein aktuelles Thema aus Forschung und Lehre. Die Serie beginnt mit einer Ausgangsfrage, auf die die erste Person antwortet und der nächsten Person eine weitere Frage zum gleichen Themenkomplex stellt. Die Reihe endet wieder mit der ersten Person, die die letzte Frage beantwortet – und abschließend alle vorangegangenen Antworten reflektiert. Das Thema der ersten Staffel sind Large Language Models und deren Einfluss auf Forschung und Lehre. Die ganze Serie mit Aldo Faisal, Professor für KI und Neurowissenschaften am Imperial College London, Jerry John Kponyo, Associate Professor für Telecomunnications Engineering an der Kwame Nkrumah' University of Science and Technology und Sune Lehmann Jørgensen, Professor am Department für Applied Mathematics and Computer Science an der Technical University of Denmark finden Sie hier.

Zur Autorin

Prof. Dr. Enkelejda Kasneci ist Co-Leiterin der Generative AI Taskforce am TUM Think Tank und leitet den 2022 gegründeten Lehrstuhl für Human-Centered Technologies for Learning an der TUM School of Social Sciences and Technology. Sie ist Direktorin des TUM Center for Educational Technologies und Mitglied des Munich Data Science Institute der TUM. Die studierte Informatikerin forschte vor ihrer Berufung an die TUM zu Mensch-Maschine-Interaktionen an der Universität Tübingen.

Die Künstliche Intelligenz (KI) hat das Potenzial, den Wissenschaftsbetrieb grundlegend zu verändern. In einer Landtagsanhörung im Ausschuss für Wissenschaft und Kunst wurde Prof. Dr. Enkelejda Kasneci, Co-Leiterin der Generative AI Taskforce am TUM Think Tank, gemeinsam mit anderen Expert:innen zu den Chancen und Risiken von KI im Hochschulbereich befragt. Die Diskussion drehte sich um die Vorbereitung von Studierenden und Lehrenden auf den Einsatz von KI, die Rolle von KI-Tools wie ChatGPT in der Schreibarbeit und die Notwendigkeit einer offenen und zugänglichen Nutzung von KI-Tools in Bibliotheken. Trotz einiger Bedenken betonten die Expert:innen den positiven Einfluss von KI und plädierten für einen optimistischen Blick auf die Zukunft des Wissenschaftsbetriebs.

Die Co-Leiterin der Generative AI-Taskforce betonte, dass die generative KI stetig fortschreitet und immer kürzere technologische Zyklen aufweist. Dies eröffne Möglichkeiten für aktive, kollaborative und immersive Lernumgebungen, die individuell auf die Bedürfnisse der Lernenden zugeschnitten seien und zahlt somit auf die UNESCO Education 2030 Agenda ein, die einen menschenzentrierten Ansatz für KI in der Bildung fordert, um Inklusion und Gerechtigkeit voranzutreiben. Unter dem Motto "AI for All" sollen alle von der technologischen Revolution profitieren und ihre Früchte ernten, insbesondere in Form von Innovation und Wissen.

Grundsätzliche Kompetenzziele im Bereich des wissenschaftlichen Schreibens werden nach wie vor erhalten bleiben und auch langfristig nicht ersetzt werden. Die Einführung von KI-Schreibwerkzeugen erfordert jedoch eine Anpassung, bei der die Integration verantwortungsbewusst erfolgen sollte. Während der Anhörung wurden auch rechtliche Fragen hervorgehoben, wie das Urheberrecht, Datenschutz und Haftung. Hochschulen sollten diese Aspekte sorgfältig prüfen und angemessene Maßnahmen ergreifen, um die Rechte aller Beteiligten zu schützen, so Kasneci.

Obwohl einige Studierende und Lehrende die Effizienz und Unterstützung von KI-Schreibwerkzeugen schätzten und durchaus Vorteile in der Zeitersparnis, der Generierung von Ideen und der Fehlererkennung sähen, bestünde auch eine gewisse Skepsis gegenüber der automatisierten Textgenerierung. Bedenken bezüglich Plagiats und Datenschutz könnten ebenfalls zu Akzeptanzproblemen führen. Vorbehalte haben Studierende und Lehrende laut Kasneci vorwiegend im Bezug auf die Genauigkeit, Zuverlässigkeit und Ethik von KI-generierten Texten. Es könnte ein Gefühl des Kontrollverlusts entstehen, wenn KI-Schreibwerkzeuge als Ersatz für traditionelle Schreibfähigkeiten wahrgenommen werden. Daher sei es wichtig, diese Bedenken anzuerkennen und eine umfassende Aufklärung, Schulung und Beratung bereitzustellen, um das Vertrauen und die Akzeptanz von Studierenden und Lehrenden zu fördern.

Allgemein waren sich die Expert:innen einig, dass ein "kalibriertes Vertrauen" in KI im Wissenschaftsbetrieb erforderlich ist. Dies bedeutet, dass Studierende und Lehrende auf den Einsatz von KI vorbereitet werden sollten, um die Chancen dieser Technologie optimal nutzen zu können. Es wurde betont, dass KI-Tools wie ChatGPT die Schreibarbeit automatisieren und die Kreativität steigern können und so Studierenden und Lehrenden ermöglicht, sich auf anspruchsvollere Aufgaben zu konzentrieren.

Kasneci appellierte: „Bildung muss sich von Routine- und unpersönlichen Aufgaben hin zu persönlichen, komplexeren und kreativen Aufgaben entwickeln. Wir müssen Wege finden, um in der Hochschullehre die Förderung vielseitiger Kompetenzen über Lehrpläne und Curricula hinaus zu ermöglichen und einen starken Fokus auf Kreativität, kritisches Denken, Kollaboration und Kommunikation legen.“

Sie fügt hinzu: „Insgesamt stehen wir vor einer aufregenden Zeit des Wandels in der Bildung. Die Frage wird sein, wie schaffen wir es Innovation und Wissen für alle zugänglich zu machen, eine gerechtere und inklusivere Bildungslandschaft zu ermöglichen, die den Anforderungen der sich disruptiv veränderbaren Welt gerecht wird.“

Nicht nur im Hochschulbereich gibt es dringenden Handlungsbedarf. Im Handelsblatt fordert Kasneci kürzlich ein „Umkrempeln der Lehrpläne“. Der Unterricht sei „viel zu fragmentiert“ – mit Unterstützung der KI sei es zukünftig einfacher möglich, „ganzheitlich“ zu unterrichten. Dafür müssten die Kultusminister aber dafür sorgen, dass alle Lehrkräfte ein Basiswissen über KI erwerben.

Enkelejda Kasneci ist Co-Founderin des neu eröffneten TUM Center for Educational Technologies, wo interdisziplinäre Forschungsteams die Wirksamkeit digitaler Tools für das Lernen und Lehren untersuchen und neue Anwendungen entwickeln. Diese wird das Zentrum über Fortbildungen und mit der Förderung von Start-ups in die Praxis bringen.

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